Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,5
gut
Loyal Friend
Eine Deutsche Dogge stiehlt Bill Murray und Naomi Watts die Show
Von Oliver Kube
Schade, dass der bis 1986 jährlich vergebende PATSY Award für den besten Auftritt eines Tieres in einem Film oder einer Serie heutzutage nicht mehr existiert. Nach früheren Preisträgern wie Flipper, Lassie oder Orangey, der Katze aus „Frühstück bei Tiffany“, wäre 2025 wohl die Deutsche Dogge Bing als klarer Favorit ins Rennen gegangen. Der riesenhafte Vierbeiner zeigt im tragikomischen Drama „Loyal Friend“ eine erstaunliche mimische Bandbreite: So gelingt es ihm, das Publikum mit seiner Leinwandpräsenz scheinbar mühelos zum Lachen, Weinen, Staunen oder Nachdenken zu bringen.
Immer wieder spielt Bing seine ebenfalls erstklassigen menschlichen Szenenpartner*innen Naomi Watts („Mulholland Dr.“) und Bill Murray („Der Phönezische Meisterstreich“) glatt an die Wand. Dank des tierischen Besetzungs-Coups starten die „Das Glück der großen Dinge“-Regisseure Scott McGehee und David Siegel also schon mal mit einem gewaltigen Pfund in ihre Verfilmung des Romans „Der Freund“ von Sigrid Nunez*, der von der New York Times 2024 in die Liste der 100 bislang besten Romanen des 21. Jahrhunderts aufgenommen wurde. Ohnehin scheint die Autorin gerade schwer angesagt zu sein: Im vergangenen Jahr hat eine weitere Verfilmung eines ihrer Romane, „The Room Next Door“ von Pedro Almodóvar, beim Filmfestival in Venedig den Goldenen Löwen gewonnen.

Die erfolglose Autorin Iris (Naomi Watts) muss sich mit Schreibkursen an einer Abendschule über Wasser halten, um sich weiterhin ihre winzige Wohnung in Manhattan leisten zu können. Aktuell macht die Mittvierzigerin eine besonders harte Zeit durch: Schließlich muss sie irgendwie den Selbstmord ihres deutlich populäreren Schriftstellerkollegen Walter (Bill Murray), ihrem einzigen echten Freund, verarbeiten.
Noch immer schockiert von dem Suizid erfährt Iris im Rahmen der Testamentseröffnung, dass ihr Mentor ihr seine geliebte Deutsche Dogge Apollo vermacht hat. Zunächst nur aus reinem Pflichtbewusstsein ihrem toten Freund gegenüber nimmt Iris das eigenwillige Tier bei sich auf. Es dauert nicht lange, bis sie spürt, dass Apollo ebenfalls um sein Herrchen trauert – und dass sie sich deshalb eventuell gegenseitig eine Stütze sein könnten. Doch das ist leichter gedacht als getan…
Gemeinsam trauern
„Da liegt ein Pony auf deinem Bett. Ein sehr trauriges Pony.“ Die Vermutung der von Emmy-Gewinnerin Ann Dowd („The Handmaid’s Tale“) gespielten Nachbarin ist gar nicht so absurd, wie sie zunächst klingt – denn der Hund hat tatsächlich die Ausmaße eines kleinen Pferdes. Die Deutsche Dogge wirkt in der winzigen Wohnung fast schon grotesk fehl am Platz – gerade, wenn Apollo sich mal wieder weigert, von Iris‘ Bett herunterzugehen. Was die Miete zahlende Wohnungsbesitzerin wiederum dazu zwingt, stattdessen mit einer Luftmatratze vorliebzunehmen.
Apollo will weder essen noch trinken und hat sich in ein altes T-Shirt seines Herrchens verbissen. Da er nicht sprechen kann, muss Iris einen Weg finden, ihn – und zugleich auch sich selbst – zurück in ein geordnetes Leben zu holen. Es berührt, wie sie zunächst vergeblich versucht, die Komplexität ihres eigenen mentalen Chaos zu bewältigen, während sie sich im selben Moment mit dem einerseits apathisch herumliegenden, im nächsten Moment ihre Bleibe verwüstenden Hund auseinandersetzen muss. Der Tod und wie wir mit dem Verlust geliebter Menschen umzugehen versuchen, sind die zentralen Themen von „Loyal Friend“.

Der Film wirkt dabei weder schwermütig noch überzuckert, sondern erstaunlich authentisch. Naomi Watts ist exzellent als eine Frau, die versucht, ihre Gefühle für einen ebenso liebenswerten und großzügigen wie manipulativen und offenbar zutiefst frustrierten Mann zu verstehen. Das ist selbst dann noch so, als McGehee und Siegel den Film auf der Zielgeraden mit einer ebenso unnötigen wie plumpen Fantasie-Sequenz fast zum Entgleisen bringen. In diesem Moment hält der „21 Gramm“-Star das Werk am Laufen, bevor die Regisseure glücklicherweise doch noch die Kurve bekommen, um das Ganze auf ein melancholisches, aber versöhnliches Ende zusteuern zu lassen.
Wir ahnen von Anfang an, worauf die Beziehung zwischen Iris und Apollo trotz diverser Hindernisse hinauslaufen wird. Iris‘ Verhältnisse zu den menschlichen Figuren werden dagegen bewusst vage gehalten. So bleibt dem Publikum Spielraum für Spekulationen und eigene Schlussfolgerungen, die der Handlung deutlich mehr Kolorit geben, als es fest definierte Erklärungen vermocht hätten. Wir tauchen schnell ein in diesen Mikrokosmos aus Zuneigung und Animositäten, Ressentiments, Großzügigkeit, Mitgefühl, Eifersüchteleien und unerwarteten Allianzen.
Gefühlvoll und bittersüß
Es ist eindeutig, dass Walter derjenige war, der sie alle miteinander verband – unter anderem seinen sich pompös gebenden, aber doch arg unsicheren Verleger (Josh Pais), seine drei (Ex-)Frauen (Carla Gugino, Constance Wu und Noma Dumezweni) sowie seine Tochter Val (Sarah Pidgeon) aus einer der vielen außerehelichen Liebschaften, zu denen auch Iris zählte. Immer wieder gibt es Rückblenden zu einzelnen Episoden und Gesprächen zwischen ihr und Walter mit anderen aus ihrer Clique. Sie alle werden von Bill Murray dominiert, dessen Figur mal staubtrocken witzig, dann wieder sehr nachdenklich, aber immer charismatisch daherkommt.
Ein gutes Beispiel dafür ist eine Dinnerparty zu Beginn: Während Walter den anderen davon berichtet, wie er zu Apollo gekommen ist, hängen alle gebannt an seinen Lippen. Der Film bleibt dabei durchgehend auf bittersüße Weise charmant. So leiden wir nur allzu bereitwillig mit, als Iris droht, aus ihrer Wohnung zu fliegen, weil Haustiere in dem Gebäude nicht erlaubt sind. Und beim emotionalen Finale stockt uns für einen beinahe unerträglichen Moment der Atem, bevor wir dann zutiefst beruhigt durchpusten können. Die gefühlvolle, wärmende Story wird nicht nur Hundefreund*innen, sondern auch alle berühren, die schon einmal jemanden Nahestehenden verloren haben.
Fazit: Eine intime, emotional packende Geschichte darüber, wie Mensch und Tier einander unterstützen können, um auch schwierige, von Trauer geprägte Phasen im Leben gemeinsam zu bewältigen.
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